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ABSTRAKT

Mit Ausnahme einer frühen Phase, in der er sich dem freien Modellieren von Ton widmete, prägte gegenständliches Zeichnen lange Jahre das Kunstschaffen von Winfried Schmelz – wenngleich auch in seinen architektonischen Skizzen und seinen Porträts immer wieder Elemente einer von den Zwängen der Materie befreite, die Oberfläche durchdringenden Formensprache sichtbar werden. Eine erste, nicht selten düstere Blüte erfuhr diese nach außen getragene Innenschau in seinen „psychedelic twens“: „Die Bilder aus jener Zeit sind ein Spiegel meiner geistigen Achterbahn- und Geisterbahnfahrten“, resümiert der Künstler. „Auf Abstraktionen über das Wesen des Seins und farbenfrohen Feiern der Elemente folgen düstere Untergangsszenarien und nebulose Darstellungen von Exzessen, bevor die Welt langsam wieder Form anzunehmen beginnt.“
Erst Jahrzehnte später erwachte die Lust auf Farbe und Abstraktion von Neuem. Eine Vielzahl von Experimenten folgte, die Auseinandersetzung mit der Erdenseele, mit dem Weiblichen und Männlichen als Prinzipien des einen Seins. In der Welt der Emotionen und des Geistigen sind Farben Wörter und Formen deren Gestalt, wird das Formlose und Unsagbare zum Gegenstand, das Innerste nach außen gekehrt: Kunst als Spiegel der Seele.

PORTRÄT

Als zu Anfang des 20. Jahrhunderts die aufkommende Fotografie den baldigen Tod der Porträtmalerei einzuläuten schien und ihre (kommerzielle) Bedeutung auch tatsächlich stark zurückging, erfolgte in Wahrheit ihre Befreiung: Die möglichst naturgetreue Abbildung, die scheinbar so offensichtliche primäre Funktion des Porträts, war tatsächlich fast immer dem Erzielen einer bestimmten vorgegebenen Wirkung geschuldet und wurde ganz bewusst hergestellt. Nunmehr losgelöst aus diesen Zwängen wurde es endlich auch in der Porträtmalerei möglich, dem Wesen der dargestellten Persönlichkeiten auf den Grund zu gehen und es ohne formale Beschränkungen in der je eigenen Sprache der Kunstschaffenden darzulegen. Damit tat sich ein unendlich großes Betätigungsfeld ganz von Neuem auf, denn: Es gibt nichts Individuelleres als Gesichter.
Auch Winfried Schmelz ging es in seinen Porträts stets darum, die Persönlichkeit, den Charakter des oder der Porträtierten zum Ausdruck zu bringen. Ein frühes Vorbild dafür war ihm Hans Fronius, einer der wichtigsten Vertreter des österreichischen Expressionismus. Zugleich – Menschen wachsen und reifen aneinander – sind diese seine Arbeiten aus den ersten Jahren seines erwachsenen Schaffens auch Chronik und Referenz: an Mentoren, Wegbegleiter, Begegnungen.

AKT

Alles Interessante zeichnerisch festhalten: Diesem Urimpuls folgend, entsteht wohl in jedem heterosexuell veranlagten und künstlerisch motivierten und talentierten Mann spätestens mit der Pubertät ein – in aller Regel eindimensionales – Verlangen nach der Abbildung des weiblichen Geschlechts. So auch bei Winfried Schmelz: „Die Bilder, die ich anfertigte, waren in erster Linie Ausdruck meiner ungezügelt aufschäumenden Sexualität und damit per definitionem pornografisch“, ist er sich heute bewusst.
Mit den Jahren und einem künstlerischen Reifeprozess kann der Blick tiefer gehen, unter die erotisch aufgeladene Oberfläche (die deshalb nicht notwendigerweise an Faszination einbüßt, sondern eher noch gewinnt). Winfried Schmelz verstand seine Akte zunehmend als Auseinandersetzung mit der Weiblichkeit in einem größeren, über das rein Geschlechtliche hinausgehenden Sinn. „Es ging mir darum, Gemütszustände zu illustrieren, Körperlichkeit in wenigen Strichen aufzulösen und in Durchdringung der Oberfläche letztlich den Kern, das Menschliche, offenzulegen“, beschreibt er seine Intentionen. Folgerichtig bzw. kontrapunktisch geriet so auch das männliche Prinzip in seinen künstlerischen Fokus: An die Stelle des juvenilen, nur voyeuristischen Blickes von außen, mit dem man(n) sich auch selbst ins Außen stellt, waren Innenschau und (Selbst)reflexion getreten, Teilnahme und Anteilnahme.

ZEICHNUNG

Über lange frühe Jahre bestimmten fast ausschließlich Zeichnungen das künstlerische Schaffen von Winfried Schmelz. Dabei flossen nach den Kinderjahren, in denen für die Schule und aus purem Vergnügen die kleine Welt des jungen Winzersohns mit Bunt- und Bleistift zu Papier gebracht wurde, zunehmend vorausblickende Aspekte im Sinne einer Berufslaufbahn ein. Winfried Schmelz begann eine Ausbildung als Bauzeichner, zudem animierten ihn Familie und Bekannte dazu, Ortschaften und Gebäude zu seinen Motiven zu machen und in die Fußstapfen der bekannten Wachaumaler zu treten.
So entstand eine Reihe von Bildern mit Wachau-Motiven, ausgeführt mit Blei- oder Kohlestift, Tusche oder einem Filzstift, der sich lavieren ließ. Während der Bauzeichner sich in geometrischer Präzision übte, erprobte der Künstler verschiedene Stilmittel, um sich seinem ureigenen Ausdruck anzunähern.
Nach ersten Verkäufen in seinem Künstler-Sein und vor allem dessen Vereinbarkeit mit dem Generieren eines Einkommens bestärkt, begannen Winfrieds Wanderjahre mit dem Höhepunkt seines sechsmonatigen Südamerika-Trips. Auf all diesen Wegen waren Skizzenblock und Stifte seine ständigen Begleiter, sodass uns heute eine Art gezeichnetes Reisetagebuch vorliegt, in dem Winfried Schmelz’ Wahrnehmungen auf vielschichtige Weise sichtbar werden.

SKULPTUR

„Zwei intensive Jahre lang hämmerte ich auf Sandsteinblöcke ein und geriet dabei in meditative, tranceartige Zustände; auch das Kneten von frischem Ton begeisterte mich.“ Wir schreiben die Jahre 1981 und 1982, in denen Winfried Schmelz sich unter dem Eindruck einer Michelangelo-Verehrung und seiner Bekanntschaft mit Prof. Hubert Wilfan intensiv bis obsessiv dem skulpturalen Gestalten widmete. Dieser, ein Wotruba-Schüler und spezialisiert auf Büsten prominenter Persönlichkeiten (Bruno Kreisky, Marc Chagall, Leonard Bernstein etc.), hatte einen profunden Einfluss auf den jungen Mann. „Das wirklich Prägende dieser Zeit“ war für Winfried Schmelz das „Gefühl für den Raum, das ich dabei wesentlich weiterentwickelte.“
Denn: Beim Bearbeiten von Stein arbeitet man durch gezieltes Entfernen alles Überflüssigen auf die in Gedanken bereits feststehende Form hin, im – utopischen – Idealfall werden Vision und geformte Realität eins. Der Prozess erlaubt weder Fehler noch Zögerlichkeit und verlangt nach absoluter Konzentration. Völlig konträr gestaltet sich das Kneten von Ton, bei dem ein mentaler Zustand des absichtslosen Fließen-Lassens, in dem die Hände zu frei assoziierenden Verbündeten des Unterbewussten werden, die Form immer wieder neu entstehen lässt.
„Weg“ und „Ziel“ erscheinen unter diesem Blickwinkel als Polaritäten; deren Vereinigung zur Ganzheit ist gleichbedeutend mit wahrhafter Beherrschung des Raums.